Das Johnson Valley in Kalifornien bebte. Zum siebten Mal fand dort das wohl härteste Motorsport-Event der Vereinigten Staaten statt. OFF ROAD-Reporter Robert W. Kranz war mittendrin im Felskletterwahnsinn. It's Hammer Time!
Er lässt sich nur schwer beschreiben, der Mythos King of the Hammers. Man muss ihn live erleben. Nur so kann man diese Veranstaltung in ihrer ganzen Dimension erfassen. Angeblich ist sie das härteste Offroad-Rennen der Welt. Das behaupten freilich viele Organisatoren von ihrer Rallye. Die Fakten der King of the Hammers sprechen aber schon eine deutliche Sprache. Das Hauptrennen geht über 184 Meilen (296 km) und ist eine Mischung aus schnellen Wüstenpassagen und extremen Rockcrawling-Sektionen. In der Wüste werden von den Top-
Teams Geschwindigkeiten von bis zu 180 km/h erreicht und „… danach fahren die mit 20 km/h über Felsen, die höher sind als ich, und wo man ohne Auto kaum hochkommt! Das ist absolut verrückt!“, sagte BJ Baldwin sichtlich beeindruckt vor dem Rennen.
WIE ALLES BEGANN
Im Jahr 2006 hatte Dave Cole die Idee zu diesem Rennen. Zusammen mit seinem damaligen Partner Jeff Knoll beschloss er, die ganzen Trails im Johnson Valley zu einem Rennen zusammenzufassen. Nach vielen Gesprächen veranstalteten sie 2007 das erste King of the Hammers mit gerade einmal zwölf Teilnehmern. Am Start versprach Dave Cole diesem „dreckigen Dutzend“, dass sie sich nie würden qualifizieren müssen. „Was meinst du mit qualifizieren?“, kam die blauäugige Rückfrage. Schon nach zwei Jahren zog der Ruf des Rennens jedoch so viele Teilnahmewillige an, dass eine Qualifikation im Vorfeld nötig wurde. Das Besondere an der King of the Hammers ist nicht zuletzt das Preisgeld. „Ich gewann die Weltmeisterschaft im Rockcrawling und bekam einen Scheck über 100 Dollar. Ich fand das unfair. Selbst bei der Baja 1000 bekam der Gewinner weniger, als ihn der Startplatz gekostet hatte“, erzählt Dave Cole, der jetzt es bei seiner King of the Hammers Fairness walten lässt: 1400 Dollar kostet die Teilnahme und der Gewinner erhält 25 000 Dollar! Wenn man bedenkt, dass ein siegfähiges Wettbewerbsfahrzeug ca. 60 000 Euro kostet, ist das doch ein ordentlicher Anreiz. So entsteht alljährlich Anfang Februar, etwas außerhalb von Landers, Kalifornien, Hammertown – eine Siedlung aus Motorhomes, Fahrzeugtrailern und Teamzelten, die in ihrer Anmutung auch das Set für einen Mad-Max-Film sein könnte. Staub weht durch die Straßen des Camps, während sich die Teams vorbereiten und in den Sektionen der Rennstrecke ihre idealen Linien suchen. Ja, richtig, bis zum Rennen sind alle Rockcrawling- Sektionen für die Teilnehmer zugänglich. Teilnehmer aus zwölf Nationen, darunter mehrfache Trophy-Truck-Meister, Baja-1000- und Dakar-Veteranen, waren diesmal dabei. Mit Fahrzeugen, die ohne Weiteres 250 000 Euro und mehr kosten.
DIE LETZTE CHANCE
Gewinnen sollten sie alle nicht, denn das schaffte Randy Slawson, ein Lokal-Patriot, der nur 140 Kilometer von Hammertown entfernt wohnt und über die letzten Jahre in seiner Doppelgarage ein Auto nur für dieses Rennen aufgebaut hatte. Zwei Tage Qualifying standen zuerst für alle auf dem Programm, um die Startaufstellung zu ermitteln. Auf einem nur knapp 6 km langen Kurs kämpften die Teilnehmer um ihre Startplätze, und für alle noch nicht für die Rennen Qualifizierten gab es einen „Last Chance Qualifier“ – also die letzte Möglichkeit, zu beweisen, dass sie die Voraussetzungen für die Teilnahme erfüllten. Die Teams aus Europa, Stéphane Zosso (Schweiz), Pier Acerni (Italien), Axel Bürmann (Belgien), Ragnar Robertsson (Island) und Jim Marsden (England), reihten sich im Mittelfeld der Starter ein. Pier Acerni und Jim Marsden hatten sich im Sommer letzten Jahres beim King of the Valleys in England für dieses Rennen qualifiziert und waren mit ihren nochmals leicht verbesserten und modifizierten Autos angereist.
Pech im Qualifying: Falsche Linie erwischt, Lenkung gebrochen - John James fliegt ab.
STARKES EUROPA
Die anderen hatten sich von bekannten Firmen in den Vereinigten Staaten Autos nach ihren Wünschen aufbauen lassen beziehungsweise wie Stéphane Zosso (ZZ Kustom) einen gebrauchten King-of-the- Hammers-Renner gekauft und sich dann bei Tony Pellegrino (Team Gen-Right) eingemietet. Welcher Ansatz nun der bessere oder „günstigere“ ist, sei dahingestellt. Stéphane Zosso und sein Beifahrer Raoul Schmid hatten mit ihrer Lösung zumindest eine entspannte Option gewählt. Bei ihnen war im Fahrerlager von Stress keine Spur. Bei allen anderen herrschte hektische Betriebsamkeit: Jim Marsden und Wayne Smith waren zusammen mit Pier Acerni bereits 10 Tage vor dem Rennen angereist und stellten ihre Autos fertig bzw. reparierten jeden Tag die teils massiven Schäden aus dem Training. Auch Axel Bürmann (Belgien) baute mit seinem Team das Wettbewerbsfahrzeug erstmalfertig, da wohl bei der Kommunikation über den Atlantik einiges „untergegangen“ war. Lediglich Ragnar Robertsson, mehrfacher isländischer Formula-Offroad- Meister, verbrachte einigermaßen ruhige Tage der Vorbereitung und des Trainings.
PROMINENTE TEILNEHMER
2013 war auch erstmals BJ Baldwin mit am Start – 5-facher Trophy-Truck-Meister und wohl erfolgreichster Fahrer der Baja 500 und Baja 1000 der letzten Jahre. Mit einem Ultra4 Buggy von Trent Fabrication hatte er sich auf dieses Rennen eingelassen und war vom Niveau begeistert. „Zum ersten Mal seit 15 Jahren muss ich wieder etwas übers Autofahren lernen. Ich habe kein Problem damit, mit 200 Stundenkilometern durch die Wüste zu fahren oder über Felsen zu springen – aber das hier ist etwas ganz anderes. Der Grad an Konzentration, der dem Fahrer hier abverlangt wird, ist enorm. Und wie ich jemals nur eine dieser Fels-Sektionen schaffen soll? Keine Ahnung.“ „Beim King of the Hammers ist das Regelwerk obendrein herrlich simpel”, warf Dave Cole ein. „Baue ein sicheres Auto und fahr mit! Welchen Motor du verbaust oder wie viel Geld du investierst, ist ganz und gar dir selbst überlassen, denn in den Felsen entscheidet sich das Rennen!” Pünktlich um 8 Uhr Ortszeit fiel die Startflagge und im 30-Sekunden-Takt starteten jeweils zwei Teilnehmer ins Rennen. Die erste Runde war 52 Meilen (83,7 km) lang, die zweite 63 Meilen (101,37 km) und die letzte 69 Meilen (111 km). Die Zeitvorgabe betrug 14 Stunden – um 22 Uhr wurde das Rennen beendet.
Anspannung und Freude vor dem Start des Rennens
HART AM LIMIT
Es sollte sich zeigen, dass die diesjährige Ausgabe tatsächlich das schwerste Rennen aller Zeiten
war. Bereits nach 45 Meilen war ein Drittel der Teilnehmer ausgefallen. Und das auf der reinen Wüstenstrecke. Die Teams aus Europa hielten tapfer mit und erreichten, angeführt von Ragnar Robertsson und Stéphane Zosso, ohne Probleme Rennmeile 45. Wie zu erwarten, sollte die Entscheidung in den felsigen Canyons fallen. Unter Gejohle und Applaus von Tausenden Zuschauern ging hier der Kampf los. Felsen, so hoch wie Häuser, führten zu spektakulären Szenen. Autos überschlugen sich, Steckachsen brachen unter den Belastungen und manch ein Teilnehmer überfuhr einfach ein bereits gestrandetes Fahrzeug. Die europäischen Teams sollten es alle bis in die letzte Runde schaffen, doch dann forderte die Hammers auch von ihnen ihren Tribut. Jim Marsden gab mit komplettem Zahnausfall am hinteren Differenzial auf. Stéphane Zosso musste beim letzten Boxenstopp den Wagen abstellen, nachdemein Mechaniker entdeckt hatte, dass ein Teil des Vorderrahmens so weit gebrochen war, dass eine Weiterfahrt zu riskant geworden wäre. Sicherheit geht vor.
Technische Probleme bremsten Ragnar Robertsson aus.
ENTSCHEIDUNG: CANYONS
Der Belgier Axel Bürmann gab nur wenige Meilen vor dem Ziel in der eiskalten Nacht aus Erschöpfung auf. „Es ging nicht mehr!”, sagte er am nächsten Morgen. „Ich bin schon viel gefahren, aber es ist nicht vergleichbar mit der Anstrengung und der ständigen Konzentration hier.” Insgesamt sollten nur 27 Teams das Ziel erreichen, davon 22 innerhalb des Zeitlimits. Weil jedoch ein paar Teams nur noch wenige Meilen vor der Ziellinie waren, beschloss Dave Cole, das Rennen noch eine halbe Stunde länger laufen zu lassen. Sieger wurde wie gesagt Randy Slawson nach 7 Stunden, 28 Minuten und zehn Sekunden vor Shannon Campbell, der 20 Minuten später ins Ziel kam. Als die letzten Teams die ersehnte Ziellinie überfuhren waren die großen Weltstars bereits abgereist.
GEISTERSTADT IN DER WÜSTE
Insgesamt waren sage und schreibe 30 000 offroadverrückte Zuschauer angereist, um die Veranstaltung live vor Ort mitzuerleben. Ganz nebenbei bauten sie zusammen mit den vielen Fahrern eine gigantische provisorische Stadt auf. Die Einwohner dieses Örtchens haben eines gemeinsam: Sie sind ohne Ausnahme motorsportbesessen. Nur eine knappe Woche nach der diesjährigen Ausgabe der King of the Hammers kehrte wieder Stille in die Wüste ein. Und der heiße Wind verwischte die letzten Reifenspuren im Sand.
Platzierungen King of the Hammers 2013 | |||
01 Randy Slawson | #4448 | USA | 7:28:10 h |
02 Shannon Campbell | #5 | USA | 7:48:41 h |
03 Chicky Barton | #144 | USA | 8:23:50 h |
04 Erik Miller | #4421 | USA | 8:36:52 h |
05 Ben Napier | #4461 | AU | 9:37:12 h |
06 Derek West | #4420 | USA | 10:14:32 h |
07 Craig Ross | #4138 | USA | 10:25:21 h |
T | F Robert Kranz
Robert Kranz:
Er ist unser Mann für die ganz schmutzigen Dinge. Robert ist immer da, wo die härteste Action geboten wird, und fängt die Faszination des Motorsportes ein wie kaum ein anderer. Sein Credo: "Do it in the dirt!"