Die Zutaten für das Chaos: Trophy Trucks mit 800 PS, jede Menge Stars der Extremsportszene und eine staubige Piste. OFF ROAD war live vor Ort.
Die seit 1967 alljährlich ausgetragene „Baja California 1000“ ist die älteste Offroad-Rallye der Welt. Nun feierte das Spektakel sein 45. Jubiläum. Und auch dieses Mal war der Startpunkt traditionell die Hafenstadt Ensenada an der Westküste der Halbinsel Baja California.
Nach der technischen Abnahme am Tag vor dem offiziellen Start, wie üblich in Volksfestatmosphäre bei strahlendem Sonnenschein, gingen am Freitag insgesamt 298 Boliden in das Rennen. Vom seriennahen VW Käfer bis zum 800-PSTrophy- Truck war alles dabei, was Zuschauer an die Strecke lockt. Genau darum ging es auch beim Start und bei den ersten Rennkilometern. In ausgeloster Reihenfolge fuhren die PS-Boliden auf die Piste und rasten fünf Kilometer im Flussbett und durch die Stadt. Vorbei an einer johlenden Menge von 200 000 Zuschauern. Einige Fahrer motivierte die Atmosphäre so sehr, dass es bereits hier zu den ersten Unfällen kam. That's racing.
Seriennah: Ein Jeep TJ war genauso am Start wie dieser Ford Raptor.
SCHICKSALSSTUNDEN
Doch nicht nur unüberlegte Fahrmanöver sollten Konsequenzen haben. Nach einem wie immer aufregenden Rennverlauf stand am Samstagabend nach 19 Stunden und 45 Minuten der Sieger fest: das mexikanische Vater- Sohn-Team Gus Vildosola und Gus Vildosola jr. Vorerst. Sie hatten ihren Ford F-150 Trophy Truck mit über 90 Stundenkilometern Durchschnittsgeschwindigkeit über das unwegsame Geläuf der Kaktuswüste getrieben. Eine mörderische Strecke, die nur 174 der gestarteten Teams durchstanden. Doch selbst im Ziel waren nicht alle sicher. Noch verkatert von der Siegesfeier, erhielten die Champions eine Woche später eine Nachricht. Mit der freundlichen Aufforderung, den Gewinnerpokal zurückzuschicken. Der Grund fürdiesen drastischen Schritt der Rennleitung war ein Regelverstoß der Mexikaner. Der zweitplatzierte Amerikaner B. J. Baldwin hatte gegen einen illegalen Boxenstopp der Vildosola-Truppe protestiert.
Von den Fans bejubelt: Armin Schwarz und Martin Christensen sehen das Ziel als 18. in der Trophy-Truck-Klasse.
RÜCKRUFAKTION
Wobei das Wort „Stopp“ den Kern nicht ganz trifft. Vildosola ließ an seinem Ford Trophy Truck auf einer Landstraßenüberführung die vorderen Scheinwerfer reparieren. Ein Pick-up mit seiner Boxencrew auf der Ladefläche fuhr vor dem Rennauto – die Leuchten wurden also regelwidrig während der Fahrt repariert.
Dummerweise wurde die ganze Aktion gefilmt und ist bei Youtube öffentlich zu besichtigen. Damit war der Sieg dahin: 90 Minuten Strafzeit und nur noch einen der hinteren Ränge für die Vildosolas. Die Scheinwerferreparatur war aber nötig – denn ohne funktionierendes Licht geht bei der Baja 1000
nichts. Weite Teile des Rennens werden nachts absolviert.
1800 Kilometer voller Dunkelheit, Staub, irrer Zuschauer auf einem der härtesten und schönsten Offroad-Gelände des Planeten. Der offizielle Sieger der Baja 1000 ist nun B. J. Baldwin – neben Robby Gordon einer der Top-Stars der amerikanischen Offroad-Szene. Sicher hätte sich Baldwin den Sieg auch etwas würdevoller vorgestellt, aber das schmälert die Leistung des Dakar-erprobten Teams keineswegs.
Ohne Rücksicht auf Verluste: Wer siegen will muss alles riskieren. Und das bedeutet mit einem Trophy Truck über 200 kim/h Spitze!
ENERGIEGELADEN
Die Baja ist längst zur größten Brauseschlacht der Welt mutiert. Während Coca-Cola der offizielle Versorger der Baja 1000 ist, liefern sich Red Bull (Vildosola-Team), Monster (B. J. Baldwin), Speed
(Robby Gordon) und Rockstar (diverse Teams) eine PR-Schlacht. Vorteil für Fans und Fahrer: Es gibt allabendlich jede Menge kostenlose „Energiedrinks“ für die nächtlichen Gelage. Der Getränkehersteller Monster hat gar einen eigenen Cup auf der Baja 1000. Fünf Buggys mit Fahrern aus der Extremsport-Szene werden hierfür als Rallye-Crew rekrutiert. Die hippe Truppe aus MX-Stars, Surfern, Basejumpern, Skatern und Mountainbikern war für Zuschauer und Medien ein Segen.
Weniger cool war allein einer der Tankstopps, bei dem ein Buggy und der bereitstehende Service-Truck vollständig abbrannten. Bei dem Unglück wurden zum Glück nur zwei Beteiligte leicht verletzt. Die Panne ist natürlich jederzeit auf Youtube zu bewundern – Smartphone sei Dank.
Wegen Regelverstoß: Nur Platz 8 für Vildosola im Ford F150
Licht an: Armin Schwarz im Dunkeln - die Entscheidung fällt in der Nacht
SCHWARZ SEHEN
Der deutsche Profifahrer Armin Schwarz und sein amerikanischer Teampartner Martin Christensen brachten zum zweiten Mal ihren X6 Trophy Truck an den Start. Das Auto wurde in Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Buggyhersteller Jimco entwickelt. Nach zu Beginn vielversprechend schneller Fahrt gab leider eine Dichtung im Drehmomentwandler des Automatikgetriebes auf. Resultat des müden Materials: Der Rallyebolide blieb 40 Meilen vor dem geplanten Boxenstopp mitten in der Pampa liegen. Die Boxencrew benötigte zwei Stunden, um die Stelle zu erreichen, und weitere zwei Stunden für Bergung und Reparatur. Schwarz und Christensen kamen als 18. ihrer Klasse ins Ziel. 2013 wird Armin Schwarz einen neuen Anlauf wagen, um den Traum vom ersten Sieg eines Deutschen auf der Baja 1000 zu realisieren. Wir drücken ihm die Daumen!
Platzierungen "Trophy Trucks" | |
01 B.J. Baldwin | #97 |
02 Mark Weyhrich | #9 |
03 Ryan Arcier | #49 |
04 Dan McMillin | #23 |
05 Steve Strobel | #94 |
06 Andy McMillin | #31 |
07 Bryce Menzies | #1 |
08 Luke McMillin | #103 |
09 Nick Vanderwey | #84 |
... | |
18 Armin Schwarz | #15 |
T | F Jörg Sand
Jörg Sand:
Seit zwölf Jahren ist der Politologe für OFF ROAD bei Rallyes auf allen Kontinenten unterwegs. Sand-Insider der Szene und selbst erfolgereich bei Profirallyes aktiv - organisiert zudem die GORM.