Dynamischer Wohnraum

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Land Rover-Spezialist Matzker baut mit dem mdx auf Basis des 110er Defender ein hochgeländegängiges Fernreisemobil der Extraklasse für ambitionierte Globetrotter.

Es ist schon ein Kreuz mit den Wohnaufbauten: Kaum ist der Wagen reisefertig, möchte man eigentlich schon nicht mehr fahren, denn: Die Fahreigenschaften des Basisautos haben sich verändert, der hohe Schwerpunkt lässt den Offroader wanken und durch das erhöhte Gewicht und den massiven Luftwiderstand steigt der Verbrauch ins Unermessliche. Die Vorteile der Expeditionsmobile verblassen vor den eklatanten Nachteilen.
Zur gleichen Erkenntnis kam auch Amadeus Matzker und entschied sich als Mann der Tat, beim mdx die Mankos der Fahrzeuggattung soweit möglich auszumerzen. Was hat man schließlich von einem Reiseauto, mit dem zu fahren keinen Spaß macht?
Die Basis seines mdx kann ein 110er Station Wagon oder Pick-up bilden. Die Karosserie wurde ab der B-Säule durch eine Kabine mit Aufstelldach aus Carbonfaser-Kunststoff ersetzt. Das Material ist so leicht, dass der mdx mit Komplettausbau nur etwa 60 Kilogramm mehr wiegt als ein serienmäßiger 110er Station ­Wagon.

FAHRFREUDE IM WOMO
Freilich steigt das Gewicht des Fahrzeuges noch weiter. Bereits die 55 Liter Frischwasser sind nicht zu verachten, dazu kommen natürlich noch Gepäck und Proviant der Reisenden. Um das Mehrgewicht zu kompensieren, verbaut Matzker ein speziell abgestimmtes Fahrwerk mit Reservoir-Stoßdämpfern, verstärkten Federn an der Hinterachse sowie modifizierten Stabilisatoren. Die Leistung des Motors wurde von 122 auf nun 170 PS angehoben, das Drehmoment stieg um 100 Newtonmeter auf 460 Newtonmeter. Spurverbreiterungen verbessern das Einlenkverhalten und verringern den Wendekreis.

Das Resultat der Maßnahmen ist schon auf den ersten Fahrkilometern deutlich zu spüren: Der Defender hängt gut am Gas und das Fahrwerk macht den Heckaufbau fast vergessen. Die Federung wurde ganz bewusst stark progressiv ausgelegt. So gleitet man sanft auf den weichen oberen Lagen dahin, erst bei Kurvenfahrten wird das Fahrwerk hart und unterbindet effektiv ein übermäßiges Wanken des sehr hohen Defender. So reist es sich schon einmal komfortabel, aber auch im kurvenreichen Hinterland kann der Land Rover bei heftigerer Fahrweise durchaus überzeugen. Die verbauten Sportsitze und das obligatorische kleine Lenkrad animieren sogar zum ­gepflegten Angasen, staunende Blicke überholter Sonntagsfahrer sind ein willkommener Bonus. Als störend empfanden wir allerdings, dass die Leistungssteigerung den oft spürbaren Nachlauf des Motors beim Auskuppeln noch etwas verstärkt. Wir vermuten hier aber einen Defekt der Kraftstoffzuführung, wollen es also nicht dem mdx anlasten.

GERÜSTET FÜRS GROBE
Unser erster Weg führt – wie sollte es auch anders sein? – ins Gelände.­ Dort soll das Expeditionsmobil zeigen, was wirklich in ihm steckt. Beim ersten Blick unter das Fahrzeug ist uns schon einiges aufgefallen: Ein massiver Unterfahrschutz verhindert Schäden an Motor und Getriebe, aber auch der 125-Liter-Kraftstofftank sitzt gut geschützt am Unterboden. Zudem bekam unser Testwagen verstärkte Antriebswellen, stärkere Achsmitnehmer, Achsfangbänder für die Hinterachse und zwei zusätzliche Differenzialsperren. Letztere kann man tatsächlich öfter brauchen, denn die Verschränkung wird durch die Fangbänder begrenzt: 245 Millimeter diagonale Achsverschränkung sind bei einem Defender wenig. Auf verworfenen Pisten kann das Fahrwerk erneut voll überzeugen. Je härter die Stöße werden, desto souveräner agiert der Wagen – auch wenn jeder Punch akustisch stark in den Innenraum dringt.

In einer Tiefsandpassage drohen wir dann (trotz guter BFGoodrich Mud-Terrain-Bereifung im Format 255/85 R16) zu versacken. Kurzerhand lassen wir Luft aus den Reifen, um die Aufstandsfläche zu erhöhen. So kommen wir ohne Weiteres wieder frei. Dank der verbauten Druckluftanlage mit Reservoir können wir die Räder schnell wieder befüllen und unseren Test fortsetzen. So richtig heftige Klettersektionen finden wir heute gar nicht. Alle Situationen lassen sich mit dem Einsatz von maximal zwei Sperren lösen. Die Geländefähigkeiten des mdx gefallen uns wirklich auf ganzer Linie.




BESTANDSAUFNAHME

Jetzt wollen wir es aber genau wissen und alle Qualitäten des Expeditionsmobils testen. Für eine ­Expedition reicht die Zeit zwar nicht, aber doch für einen Wochenendtrip auf einsamen Pfaden. Komplett ausgestattet ist der Wagen ja: Neben dem klappbaren Standard-Bett in der unteren Sitzgruppe verfügt er über eine zweite Liegefläche im Aufstelldach. Das öffnet und schließt bequem, von Hydraulikdämpfern unterstützt. Die Isolierung im unteren Teil ist freilich deutlich besser, wer also im Winter umherreist, sollte im „Parterre“ bleiben und die Standheizung aktivieren.

An Bord ist alles, was man braucht: Zweiflammenkocher, Waschbe­cken und (unter den Sitzpolstern) Kompressorkühlschrank. Zudem hat unser Wagen eine Warmwasseranlage mit Wärmetauscher und eine Handbrause. Wer möchte, kann also sogar warm duschen. Den nötigen Strom für Licht und Kühlschrank liefert im Standbetrieb eine Doppelbatterieanlage mit Notstartfunktion.

Jetzt fehlt uns nur noch Proviant, dann kann es losgehen.


LAND ROVER MUSS REISEN
Mit vollem Kühlschrank machen wir uns auf den Weg nach Italien, genauer gesagt an den Gardasee. Der unbefestigte Tremalzopass ist nach wie vor für Autofahrer freigegeben und nur knappe fünf Stunden entfernt. Das perfekte Nahziel, um unser Expeditionsmobil angemessen zu erproben.

Den Ursprungsplan, den Gardasee unter Umgehung der Autobahn zu erreichen, begraben wir schnell wieder. Die alte Brennerstraße ist zwar schön, unser heutiges Etappenziel, die Monte-Baldo-Höhenstraße, wird uns aber sicherlich vier Stunden kosten. Also geht's direkt über die Brennerautobahn zum Einstieg in den Höhenweg in Mori. Wer erwartet, dort noch auf unberührte Schotterpisten zu stoßen, wird freilich enttäuscht: Die Strecke ist komplett asphaltiert.Aber dennoch wunderschön und anspruchsvoll. Die Straße ist schmal, zum Teil nimmt der mdx die gesamte Breite des Weges ein. Die Serpentinen hier sind so eng, dass wir öfter rangieren müssen, um die Kurven zu schaffen. Der Zeitplan scheint aufzugehen. Mit der Dämmerung erreichen wir Ferrara di Monte Baldo, ein malerisches Nest mitten in den Bergen. Da gibt es noch kostenfreie Stellplätze für unseren Defender und wir entscheiden uns, hier die Nacht zu verbringen, um am nächs­ten Tag zum Tremalzopass auf der Westseite des Gardasees aufzubrechen. In wenigen Minuten ist unser Schlafplatz eingerichtet.


ÜBERRASCHUNGEN

Bisher lief alles nach Plan, doch der frühe Morgen hält ein paar Überraschungen für uns parat: Die Batterie unseres Defender hat sich über Nacht entladen. Zum Glück hat die Notstartfunktion noch genug Power, um den Wagen wieder anlaufen zu lassen. Der Übeltäter ist ebenfalls schnell identifiziert: Der Kühlschrank musste natürlich weiterlaufen und hat die Batterie entladen und dabei auch gleich den Fahrzeuginnenraum beheizt. Die Kühlung ist so eng verbaut, dass sich die warme Abluft in der Kiste staut. Wir lassen für den heutigen Tag den Kistendeckel einen Spalt offen, um dem Kompressor mehr Luft zuzuführen. Sofort läuft das Gerät ruhiger. Hier sollte man noch eine Belüftung nachrüsten.


ABENTEUER TREMALZOPASS

In Limone biegen wir auf den Tremalzopass ab. Die geschotterte Militärstraße ist genau das, was wir gesucht haben: ein echtes Abenteuer. Seit 1997 ist die Strecke für Motorräder gesperrt, für Autos aber nicht. Immer weiter kämpfen wir uns die engen Serpentinen hinauf, bis wir auf 1680 Metern den Pass überqueren. Die Aussicht ist atemberaubend, keine Leitplanke stört Den Blick in die weiten Täler. Hier geht einem das Offroader-Herz auf und der Matzker mdx kann sich beweisen. Den ganzen Tag verbringen wir auf der Strecke, erst am Abend kehren wir an den Gardasee zurück, um auf einem Campingplatz die Batterien des Land Rover wieder zu füllen.


FAZIT
Nach ein paar kleinen individuellen Anpassungen hat man mit dem mdx ein Fahrzeug, das jeder Herausforderung gewachsen sein dürfte. Ein gutes Wohnmobil zu bauen, ist dabei gar nicht das Problem. Matzker beweist aber, wie es dann immer noch dynamisch und fahraktiv sein kann und zudem großartig in schwerem Gelände funktioniert. Für die Lust am autarken Reisen.





T | Marc Ziegler
F | Markus Kehl/Laura Kripaite

Der Bericht stammt aus OFF ROAD Ausgabe 10/14

 

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