Black Beauty

Schnell schon, aber nicht schön – so die Meinung der Masse. Stefan Henken stört's wenig. Hauptsache, die Kiste rennt. Was der 4x4-Newbie in 2 Jahren auf die Beine gestellt hat, ist beachtlich. Henken will fahren, nicht reden oder in Schönheit sterben.
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Schrauber-Steckbrief – 4x4-Newbie Stefan Henken
In der Arbeit schraubt der selbstständige Handwerker aus Übersee am Chiemsee an Lüftungssystemen aller Art – Ehrensache, dass sein Rallye-Projekt keine thermischen Probleme hat. Im Alltag bewegt der VW-Fan einen Sharan.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Stefan Henken nimmt die unzähligen Kommentare gelassen, die ihm in diversen Online-Foren zu seinem Projekt um die Ohren gehauen werden. „Ich bin doch selbst nicht der Schönste, außerdem finde ich meine Kiste klasse!“, grinst der Mann aus Übersee am Chiemsee. Henken ist ein Newbie in der Allradszene. So richtig hat ihn der 4x4-Virus erst vor zwei Jahren gepackt. „Der Breslau-Bericht über die Ludolfs hat mich inspiriert. Ich wollte was Neues ausprobieren und habe mir einen Hochdach-Suzuki besorgt.“ Henken ist jedoch kein Träumer, ist gestandener Handwerker und vor allem Wissens-Junkie. Entschlossen nimmt er Kontakt zu Martin Hähle auf, der mit dem gleichen Modell vor Jahren bereits die Breslau gewonnen hat. Henken profitiert vom unglaublichen Erfahrungsschatz des Breslau-Urgesteins Hähle. Dennoch fließen in sein Projekt neue, modernere Ideen ein. Zuerst geht's jedoch auch bei unserem Offroad-Neuling um das im Sport und Autobau so viel zitierte Trial-and-Error-Verfahren.

 

 

THERMISCH STABIL: Dank wassergekühltem Ladeluftkühler!


LERNPHASE, TRIAL AN ERROR
Stefan Henken schöpft aus dem Vollen, greift zu allen erdenklichen Teilen renommierter Tuner und pflanzt dem Suzuki gleich zu Beginn ein 1,6er-VW-Herz unter die Haube. VW? Henken ist bekennender Wolfsburg-Fan und hält die kleinen Triebwerke für besonders stabil und ausgereift. „Millionenfach bewährt. Was soll da schiefgehen?“ Fahrwerksseitig lässt er sich im Anfangsstadium vom US-Profi Rocky Roads bedienen. Ein paar runderneuerte Lerma Gomme und schon geht's zur ersten Bewährungsprobe. Platz 86 auf Europas größter Rallye-Raid-Veranstaltung ist nicht gerade der erträumte Einstand, jedoch bemerkt Henken, dass sowohl in ihm als auch im Rallye-Suzuki bedeutend mehr Potenzial steckt. Der Mann ist angefixt, will mehr und setzt seine Ziele rigoros in die Tat um. In diesem Zeitraum lernen wir uns kennen. Stefan hat große Pläne, hat den „Helden“ der Szene genau über die Schulter geschaut – ohne jedoch vor Ehrfurcht in die Knie zu gehen. Der Plan zum ultimativen Race-Suzuki reift zuerst am Whiteboard und wird dann Schritt für Schritt realisiert.

 

 

RENNSEMMEL: In diesem Jahr Platz 3 ber der Baja 300 (2-Liter-Klasse)!

Konsequenzen und Zutaten
Nach der ersten Saison sinniert Henken über ein professionelles Fahrwerk, einen adäquaten und leistungsstärkeren Antrieb und wesentlich stärkere Achskomponenten. Ersteres findet er bei Offroad-Extrem-Boss Ralf Berlit. Nichts von der Stange, sondern gleich das Fox-Rennfahrwerk aus Berlits Eigenbau-Boliden Victory 1 soll in den Suzuki implantiert werden. In Fakten bedeutet das: 2.0-Airshock-Coilover mit satten 17,35-Zoll-Travel, kombiniert mit 2.0-Bypass-Dämpfern mit 16-Zoll-Travel. Motorseitig fällt die Wahl – wie könnte es anders sein? – auf ein 1,9er-VW-Triebwerk (110 PS) aus dem 3er-Golf. Dass dieser Motor über eine – im Offroad-Einsatz eher anfällige – elektronische Einspritzpumpe verfügt, gefällt Herrn Henken nicht besonders. Kurzerhand lässt er von Pumpen-Papst M.Viert auf eine mechanische Eigenbau-Alternative umswitchen, nicht jedoch ohne entsprechende leistungssteigernde Änderungen vorzunehmen.

 


ANTIROCK: Ersetzt die weggefallenen Stabilisatoren.

130 PS und 290 Nm
Aktuell liefert der 1,9er-Diesel rund 130 PS und 290 Newtonmeter. Das ist nicht viel? Wenn man ein fahrfertiges Gewicht von knapp 1400 Kilogramm zugrunde legt, spielt der schwarze Samurai in der Oberliga. Dass die originale Suzuki-Kupplung dieser Leistungssteigerung nicht gewachsen ist, merkt Henken bereits auf der ersten Testfahrt. Bereits im Dritten rutscht die Kupplung – Fazit: Neues Material muss her! Dieses bezieht der mittlerweile begnadete Bastler vom amerikanischen Spezialisten ACME – als Sonderanfertigung, versteht sich. Schwungrad und Adapterplatte auf dem Samurai-Getriebe stammen also aus US-Fertigung, die speziell verstärkte Kevlar-Kupplung aus deutschen Landen – von Pimpcity. Die Antriebseinheit ist somit perfekt! In der letzten Saison wird noch mit mächtig verstärkten Suzuki-Achsen experimentiert. Welche nur Unmengen an Mehrgewicht durch aufgeschweißte Verstärkungen mit sich bringen, aber keinerlei Mehr an Haltbarkeit. Stefan muss zu Fremdmaterial greifen und ergattert einen Satz Achsen vom Toyota LJ 70, die bereits mit Nachrüstsperren von ARB versehen sind. Die für den Suzuki zu kurze Toyota-Achsübersetzung von 4,88 : 1 wird nachträglich auf 4,33 abgeändert.



 

SPARMODELL: Der 1,9er-TDI ist ein Sparheimer. Rund 8 Liter unter Volllast reichen, die Tanks fassen 45 Liter.

Puzzle-Spiel
Die Zutaten sind nun bekannt. Doch wie passt das Ganze in den Serien-Suzuki? Gar nicht, lautet die klare Antwort. Was äußerlich recht nahe an die Original-Optik heranreicht, schaut unterm Blech-GFK-Gewand schon deutlich anders aus. Vom serienmäßigen Rahmen bleiben schlussendlich nur noch Fragmente übrig. Das komplette Heck wie auch die GFK-Flip-Front, werden von einer stabilen Gitterrohrkonstruktion getragen. Leichtbau, Spieltrieb oder Zwang? „Letzteres“, verrät der stolze Erbauer. „Beim Versuch, die extrem langen Dämpfer in das Fahrzeug zu integrieren, kamen Ralf und ich zum Schluss, dass es einfacher wäre, eine Gitterrohr-Konstruktion zu bauen, als die hochhaxigen Fox-Federsysteme ans Originalrückgrat anzupassen.“ Im Zuge dieser Arbeiten wurde der Radstand – wir kennen das bereits von Matthias Baders Projekt (OFF ROAD 9/2012) – um rund 50 Zentimeter verlängert. Und weil man schon dabei ist, werden auch die Längslenker eliminiert und durch eine stabile Eigenbaukonstruktion ersetzt. Bei den Gelenken entscheiden sich Berlit und Henlen für Currie-Johnny-Joints – günstiger, haltbarer und der Verschränkung dienlicher. Als Ersatz für die entfallenden Stabilisatoren wählt man ein Antirock-System, damit sich das Kurvenwankverhalten der Kiste in erträglichen Grenzen hält.

 

 

HALTBAR: Henken ersetzt die Samurai-Achsen gegen welche vom Toyota LJ70.

Immer Cool bleiben
Ganz im Zeichen der Moderne setzt Henken den Motorkühler ins Heck des Wagens. Das mit wassergekühltem Ladeluftkühler thermisch gesicherte Triebwerk benötigt ebenfalls einen zusätzlichen Kühler. Diesen koppelt der Chiemseer direkt mit dem Hauptwasserkühler, so versorgen die zwei Ventilatoren zugleich beide Kühlsysteme – das ist einfach und effizient! „Der wassergekühlte LLK dient weniger der Leistungssteigerung als dem Erhalt der thermischen Stabilität des Triebwerkes. Das ist die für mich optimale Lösung, denn selbst unter Volllast im Tiefsand erreichen wir selten mehr als 90 Grad Wassertemperatur!“ Vorn an der Front sitzt zudem ein kleiner Ölkühler, der die Temperatur des schwarzen Goldes auf erträglichem Niveau hält.

 

 

Gut gebrüllt, Löwe
Probefahrt? Gerne. Gestartet wird per Knopfdruck. Das nachweislich kleine Triebwerk grollt mit infernalischem Sound. Wirklich nur 1,9 Liter? Ja! Bei genauem Betrachten kein Wunder, ein kurzes Rohr – Auspuff genannt – endet zirka 25 Zentimeter hinter dem Turbolader. Von den gigantischen Federwegen, die uns das schwarze Biest auf der Hebebühne gezeigt hat, bleibt im Stand wenig übrig. Das soll so sein, denn der Herr aus Übersee braucht Ausfederweg, keinen hochhackigen Eisdielen-Cruiser!
Die schwarze Gruft – Stefan liebt diese Farbe einfach – setzt sich in Bewegung, die Kraft wird mittels Toyota-HJ61-Doppelgelenken an die speziell angefertigten Kardanwellen verteilt. Die runderneuerten Lerma Gomme (31x10,5 R15) nageln auf dem Asphalt, das Triebwerk liefert die passende musi-kalische Untermalung – eine Offroad-Symphonie.
130 PS – nicht gerade viel, wie ich meine, doch Achtung: In Kombination mit dem leichten Suzuki eine nicht zu unterschätzende Macht. Der kleine TDI geht wie Schmidts Katze, das Fahrwerk ist über fast jeden Zweifel erhaben, hat hier – wo andere Projekte ziellos das Bein heben – noch locker die Sohlen auf dem Boden. Warum also in Schönheit sterben?

 

Text: Jörg Kübler     Fotos: Uwe Fischer

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