Südamerika Teil 1

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Die Sehnsucht bleibt. Ungestillt. Es ist mal wieder so weit. November. Im Sog des Alltags gefangen, treibt es mich wieder raus in die Ferne, diesmal auf der Suche nach der perfekten Welle. Im Westen von Südamerika soll man sie finden. Das ist verdammt weit weg.


Gorillas wie in Afrika wird es dort nicht geben, aber verdammt hohe Berge. Und Wellen, fast genauso hoch.
Nach unserer Expedition vor zwei Jahren durch den Schwarzen Kontinent soll das Sehnsuchtsziel im Sommer 2017 Südamerika heißen. Anderer Kontinent, gleiches Vorhaben: eine Durchquerung von Ost in nördlicher Richtung gen Westen, von Buenos Aires nach Cartagena. Sechs Länder, 11 780 Kilometer, 48 Tage. Und viel Ungewissheit.Bis es so weit ist, liegt noch viel Arbeit vor mir. Im Kopf. Ich scrolle durch mein Facebook Feed und bleibe kurz an einem Machu-Picchu-Selfie hängen. Erinnerungen an eine lang vergessene Reise mit meinem Bruder und damals noch mit meinen Eltern kommen hoch. Weiter unten Bilder aus Kolumbien – seit Medellín und Escobar wollte ich da schon mal hin.

Auf Instagram dann ein Video der (vielleicht) längsten Surfwelle der Welt – in Peru. Die müssen wir surfen! Erst eine vage Idee, dann konkreter: Zu Hause auf dem Parkettboden liegen Südamerikakarten querbeet und langsam formt sich aus den Mosaiksteinen der Sehnsuchtsziele eine Route: eine Expeditionsreise – quer durch Südamerika, über die Anden, vom Atlantik zum Pazifik, von Argentinien nach Kolumbien, von Buenos Aires nach Cartagena. Einige unserer Freunde von früheren OFF ROAD-Expeditionsreisen wollten schon immer nach Südamerika aufbrechen – jetzt ist die Idee auch bei mir angekommen. Schnell formiert sich das Team aus bewährten Mitstreitern, Freunden, Abenteuerlustigen, Wiederholungstätern und uns, der OFF ROAD.



Ein sympathischer Haufen wagemutiger Individualis-ten, die die Sehnsucht nach Reisen abseits der Massenrouten zusammenschweißt. Vom IT-Spezialisten aus der Schweiz über den Augenarzt aus München bis zum Fahrlehrer aus dem Allgäu und dem Mechaniker aus Holland, unserem lieben Freund Guus, ist unsere Expertise gar nicht so übel. Vom Menschen zur Maschine – mein Defender wurde in München zuletzt fast nur noch zur Arbeit gefahren. Kurzstrecke – mörderisch für Mensch und Motor. Jetzt bekommt auch er gute Gesellschaft. Drei weitere Defender, sechs Gs und drei Toyos werden zum Startpunkt nach Südamerika verschifft. Sie sind quasi die Ersten, die große Wellen erleben dürfen, quer über den Atlantik.

Ob wir je unser Ziel, die längste Surfwelle Perus, zu Gesicht bekommen, ist bereits am Startpunkt mit großen Fragezeichen versehen. Sollte womöglich schon in Buenos Aires unsere Reise zu Ende sein, am Start? Eigentlich haben wir keine Zeit – ganz im Gegensatz zu den argentinischen Zollbeamten. Die Geländewagen kommen nicht aus dem Zoll. Passierschein A38 fehlt. Bürokratie, Urlaub, eine Umstellung des IT-Systems und ungeklärte Zuständigkeiten kosten uns wertvolle Tage. Bis dahin beruhigen wir unsere Nerven mit Pisco Sour und legendärem Asado, den auf Holzfeuer gegarten, wohl weltbesten Steaks. Tief durchatmen in Buenos Aires, der Stadt, deren Begründer sie nach der Santa María del Buen Ayre (spanisch für Heilige Maria der Guten Luft) benannten.



Gute, aber dicke Luft, was nicht nur am Smog liegt. Ein Gedanke kommt auf: Hätten wir nicht besser nach Montevideo, wo der Zoll recht unkompliziert sei, verschiffen sollen? Bei unserer Rückkehr nach Deutschland erfahren wir, dass in Uruguay drei Dutzend europäische Fahrzeuge, darunter viele deutsche und schweizerische, für mehrere Monate vom Zoll beschlagnahmt wurden. Montevideo wär also vielleicht doch keine so gute Idee gewesen ... Stoßgebet nach oben, zur Heiligen Maria. Zuletzt hilft ein freundlicher, aber äußerst irdischer OFF ROAD-Leser aus der Deutschen Botschaft. Endlich, nach etlichen Rückschlägen, dürfen wir die Geländewagen aus dem Zoll fahren.

Alle bis auf einen – Harrys G. Wir müssen unseren schon strapazierten Zeitplan aufholen und beschließen, dass die Gruppe bereits Richtung Iguaçu-Wasserfälle aufbricht. Harry, mein Beifahrer Gregor und ich werden am morgigen Freitag versuchen, das letzte Fahrzeug freizubekommen. Das Wochenende droht!



Freitag – im wahrsten Sinne des Wortes

Freitag. Endlich. Auch der letzte G rollt aus dem Zollterrain. Nun können auch wir starten. Fast.  Ein Anruf, erster Tag, erster Ausfall, ein Defender, die Dichtungen eines Krümmers und der Turboschlauch sind undicht. Um den Wagen wieder startklar zu machen, sollen wir Ersatzteile aus Buenos Aires mitbringen. Gregor und ich – wir kennen uns seit einem gemeinsamen Auslandssemester in Spanien –  eruieren mit rudimentären Sprachkenntnissen,  ob die benötigten Teile auf Lager sind. Mehrere Händler werden abgeklappert, bis wir fündig werden. Jetzt endlich los!

Ein schönes Feeling: Die ersten Kilometer auf staubigem südamerikanischem Boden, durch die Pampas. Knapp 100 Kilometer nördlicher treffen wir auf den fahruntüchtigen Defender von Andrea und Sandro und übergeben die für die Reparatur notwendigen Ersatzteile. Die beiden und unseren Mechanikerfreund Guus  werden wir erst in ein paar Tagen am Fuße der Anden wiedersehen. Harry und wir wollen an den Iguaçu-Fällen wieder auf die Gruppe treffen. Marathon: 16 Stunden nonstop, 1300 Kilometer und zahlreiche Fahrerwechsel und Kaffeestopps später erreichen wir im Morgengrauen unser Hotel. Das deftige Frühstück, der Ruhetag und die Wasserfälle entschädigen für die Strapazen der ersten Begegungen mit der „Mañana, Mañana”-Mentalität.



Teuflischer Superlativ: Die Iguaçu-Wasserfälle sind der Breite nach die größten der Welt; die Victoriafälle sind höher, aber schmaler. Bis zum sogenannten „Teufelsschlund“ (spanisch: Garganta del Diablo) nähern wir uns der rauschenden Gischt, fast schon Welle, aber vertikal halt. Über zwei Stufen schäumen sich die gigantischen Wassermassen nach unten. Etwa drei Viertel der Fälle liegen auf unserer Seite, auf argentinischem Gebiet. Auf der Gesamtbreite der Fälle, gigantischen  2,7 Kilometer, stürzen im Schnitt 1700 m³ Wasser pro Sekunde hinab. Brachial.

Irgendwie passt das zum Charakter unserer Expedition. Alles katapuliert uns in die gefühlte Film-Szenerie vom Medellin-Kartell. Südamerika ist nicht lieblich. Der Kontinent strapaziert. Und zeigt uns oft seine ganze Härte. Vor allem auf der Straße. Dem primären Reiseziel unserer Expedition. Auffahrunfälle und abgefahrene Spiegel sind das Geringste, ein schwerer Unfall zwischen einem unserer Gs und einem einheimischen Lkw gibt uns den mentalen Streifschuss, der nach dem anfänglichen Schock noch lange in uns allen nachwirkt. Totalschaden! Gerne hätten wir mit allen Fahrzeugen Cartagena erreicht. Die Wunden werden bald verheilt sein, aber für drei von uns ist das Abenteuer vorbei. Dabei ist uns allen klar: Das hätte noch viel schlimmer enden können. Und in der Krise merken wir: Das Team funktioniert – auf jeden ist Verlass – egal ob Expeditionsarzt oder Teilnehmer. Das gibt Vertrauen.



Schwindelerregende Höhen

Flow geht anders. Und so surfen wir noch lange nicht in harmonischer Einheit mit der faszinierenden Weite der Landschaft. Wir kämpfen. Diesmal nicht mit der Weite, sondern mit der Höhe. Mühsam arbeiten wir uns in für viele unbekannte Höhen. Auf 4995 Metern über null überqueren wir den Pass Abra del Acay und kratzen an der Fünftausendermarke. Knapp verfehlt. Kurzatmig sind nicht nur wir Menschen, sondern auch die Maschinen. Der Pass liegt zwischen dem 5378 Meter hohen Berg Cerro Saladillo im Südwesten und dem 5716 Meter hohen, erloschenen Vulkan Nevado de Acay im Nordosten. Von einem erloschenen Vulkan spüren wir nichts, ganz im Gegenteil, es ist saukalt. Bei -15 Grad hat sich die Investition in den sündhaft teuren Everest-Schlafsack mehr als rentiert.

Die erste Nacht über 4200 Metern Höhe bringt einen großen Teil der Gruppe an seine physische und psychische Grenze. Zerreißprobe. Rasende Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Panik, brutale Übelkeit – im wahrsten Sinne schwindelerregende Höhen. Wenn alles schwerfällt und jeder Toilettengang wohl überlegt sein will, versteht sich auch die Kurznervigkeit, wenngleich sie dem gegenseitigen Sichverstehen nicht unbedingt zuträglich ist. Daher schnell wieder nach unten, in menschlichere Gefilde. Der Harmonie und unserer Autos wegen. Runter, runter, runter – der Konvoi bewegt sich überraschend schnell gen Chile, unser nächstes Etappenziel.



Nach dem Grenzübertritt navigieren wir gen Atacama-Wüste. Mit Sand und Dünen sind wir seit unseren Afrikareisen mehr als vertraut. Aber das hier ist anders: Die Atacama ist eine Küstenwüste und die trockenste Wüste der Erde außerhalb der Polargebiete. So weit, so gut. Sie ist aber auch ein Biest, unbezwingbar, die uns ein weiteres Mal auf unserer Tour das Scheitern lehrt. Zäh, fast morastig, erliegen unsere Fahrzeuge dem Sog Richtung Erdreich, sofort sitzen die ersten fest. Eigentlich wollten wir die Atacama durchqueren. Die Betonung liegt auf eigentlich. Bezwingen können wir die atemberaubende Landschaft nicht. Flucht heißt die Devise! In konzentrischen Kreisen spulen sich die letzten zwei fahrenden Expeditionsfahrzeuge aus der zähen Masse.

Frei und bereit, um die anderen zu bergen. Das Abenteuer hat uns wieder – wie gewünscht. Winden und Bergegurte kommen endlich zum Einsatz. Wir sonnen uns abends in der Erinnerung an Wärme und Abenteuer, leider haben einige in der Wüste den Sonnenschutz vergessen.

Es klart auf. Südamerika wird langsam, fast unmerklich vertrauter. Sanfter. So unwirtlich sich unser nächstes Etappenziel, der Uyuni-Salzsee, auch anhören mag: Unser dortiges Camp (nach Landesgesetz eigentlich streng verboten) ist überraschend (er-)lebenswert. Strategisch gehen wir an die Suche unserer Schlafensstätte heran. Geometrisch zeichnen wir virtuelle Linien quer durch den Salzsee und ermitteln den entlegensten Ort, mutmaßlich weit genug entfernt von jeder Entdeckung unseres geheimen Lagers. Strategie aufgegangen. Das freundliche, helle Licht beschert uns das schönste Camp der Reise.





Was sollte ein Neuling wissen, wenn er eine Offroad-Expeditionsreise plant?
Als Expeditions-Neuling sollte man unbedingt wissen, dass der oftmals entscheidende Faktor bei der Bewältigung eines anspruchsvollen Geländeabschnitts das Leistungsgewicht des Fahrzeugs ist.
Diese Tatsache wird häufig massiv unterschätzt und die Fahrzeuge werden dementsprechend falsch ausgerüstet bzw. viel zu schwer beladen. Es gilt die Devise: Weniger ist mehr!

Welche Ausrüstung bzw. welches Zubehör würden Sie für ein Expeditionsfahrzeug (unbedingt) empfehlen?
Neben der Optimierung des Fahrverhaltens sollte der Fokus unbedingt erst einmal auf eine ausreichende Kraftstoff- und Wasserversorgung gelegt werden. Diese ist elementar für eine erfolgreiche Fernreise und erlaubt es, auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.

Welche Reichweite sollte ein Expeditionsfahrzeug für den Einsatz in Südamerika oder Afrika mindestens haben?
Eine große Reichweite auf Fernreisen ist komfortabel und Zeit ersparend. Neben der Freiheit, selten tanken zu müssen, vermittelt es abseits von Pisten auch Sicherheit. Die Reichweite sollte bei mindestens 1500 km liegen. Dies erlaubt Reserven und auch unvorhergesehene Ereignisse können so besser bewältigt werden.

Gibt es noch Möglichkeiten, Land Rover Defender für Expeditionsreisen zu erwerben? Oder welche Alternative können Sie empfehlen?
Wir befinden uns in der glücklichen Situation, immer eine Handvoll frischer Basisfahrzeuge für den Umbau zum Defender Expeditions- oder Reisefahrzeug anbieten zu können. Nicht zu unterschätzen ist jedoch auch das zukünftige Offroad-Zugpferd der Marke. Der neue Land Rover Discovery 5 – speziell als hauseigene „dc8“-Ausführung.



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