Reportage: Der Gelände-Genosse

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Seit 1957 gibt es den UAZ 452 als kleinen Transporter und Mädchen für alles in der russischen Armee. Ein Ende ist zum Glück noch nicht abzusehen. Mit ein wenig Aufwand ist er jetzt auch bei uns zu genießen …

Eine Zeitreise zu unternehmen, ist normalerweise mit einigem Aufwand verbunden. Nicht in diesem Fall. Mit sonorem Grummeln kommt der Russe um die Ecke gefegt und packt uns ein. Liebe auf den ersten Blick soll es nicht geben? Pustekuchen! Das Hirn denkt: Haben will! Der Fuß denkt: Fahren will! Schon auf den ersten Metern, über und vor der Vorderachse thronend, mit dem Arm auf der Mittel-Motor-Ablage liegend, überlegt man sich, wie man es der Frau am schonendsten beibringt, dass der geplante Zweitwagen doch nicht der in ihren Augen praktische Kleinwagen in Populärfarbe werden wird ... Der Hammer.



Nach kürzester Zeit hat man sich an die sowieso nicht veränderbare Sitz- und Lenkposition gewöhnt und kann sich aufs Genießen konzentrieren. Militärunderstatement und russischer Pimp-Charme ergeben ein effektives, schnörkelloses Cockpit. Der Schaltgriff setzt den Akzent fürs Auge. Untermotorisiert fühlt sich anders an! Der UAZ fegt die Straßen auf seinen All-Terrain-Reifen entlang, als bräuchten wir kein Morgen. Der 2,7-Liter-Vierzylinder mit 112 PS ist immer ansprechbar. Der kleine Transporter geht wie die Sau! Konnte man so nicht unbedingt erwarten.

Die Schaltung ist präzise und direkt, die Lenkung lässt etwas Interpretationsspielraum zu, ohne dabei schwammig zu wirken. Er fährt einfach gut und macht einen Heidenspaß dabei! Nicht ein einziges Mal fühlt man sich im deutschen Straßenverkehr deplatziert. Uns tut bloß der Porsche-Fahrer vor uns leid, weil wir im UAZ heute alle neidischen Blicke ernten.



AB IN DIE BAYRISCHE TAGA
Gut dass wir für den Geländetest die manuellen Freilaufnaben von Hand „locken“ müssen, sonst hätten wir ihn wohl heute nicht mehr von außen betrachtet, unseren Genossen. Dimitri Schwab von
InterSat spendierte ihm eine 10-cm-Höherlegung durch längere Federschäkel an den Blattfedern vorne und hinten. Nun ist genügend Platz für die 16-Zoll-Alus und die 245/70 R16 A/T-Reifen. Diese machen nicht nur optisch, im Vergleich zur Kreissägen-Original-Bereifung, was her, sie verschaffen dem Russen-Bus auch Wahnsinns-Rampen- und Böschungswinkel. Und die kann man im Gelände prima nutzen.

Und wie ... Hoch und runter gehts im tiefsten Schlamm. Vorsichtiges Herantasten ist sonst gut, aber mit dem UAZ völlig unnötig. Der überraschend kleine Wendekeis lässt uns die unmöglichsten Fahrmanöver ausprobieren. Das Grinsen ist eingemeißelt. Was für eine Geländemaschine! Sperren suchen wir vergebens. Wofür auch? Es tun sich hier im Wald einfach keine Limits auf. Hangabfahrten kann man ohne störende Motorhaube vor der Achse endlich mal in einer ganz anderen Optik genießen. Nie fühlen wir uns in Gefahr. Er kippt nicht um, der Russe, und die Verschränkung ist für ein Blattfederfahrwerk erstaunlich.

Bodenhaftung, gepaart mit dem 2,7-Liter-Vierzylinder machen den Transporter zu einem waschechten Offroader ohne Fehl und Tadel. Power ist jederzeit an der richtigen Stelle vorhanden, um die knappen 1,8 Tonnen Leergewicht mit Leichtigkeit die nassen und schlammigen Graskuppen hochzufliegen. Einen halben Meter Schlamm durchpflügen wir wie ein Trecker. Und das nicht nur ein Mal. Es gibt einfach Momente im Alltag eines Testers, die nicht zu Ende gehen sollten ...



RUSSISCHE OFFROAD-SEELEN
Man sieht es ihm auf den ersten Blick bestimmt nicht an, aber genau hierfür wurde er gebaut. Rustikal und kompromisslos, auf nur einen einzigen Zweck ausgerichtet. Überall und unter allen Umständen von A nach B zu kommen. Ob mit 10 Soldaten oder 40 Sack Kartoffeln. Kein Wunder, dass die Ulayanovsk Avtomobil-Werke ihn nahezu unverändert herstellen. Jeder Passant denkt gleich, man sitzt in einem Oldtimer, und ist auch nur schwer davon zu überzeugen, dass es sich um einem Neuwagen handelt. Sein knuffiges Auftreten steht in krassem Gegensatz zu seinen Fähigkeiten. Er ist robust und unzerstörbar.

Wo nichts verbaut ist, kann ja auch nichts kaputtgehen. Seinen Verwandten, den UAZ Hunter, hat er ohne Probleme überlebt. Das einzige Vermächtnis, das dieser an ihn weitergeben konnte, ist das ABS-System. Ja, richtig gelesen, der UAZ 452 hat ABS! Es arbeitet auf der Straße ausgezeichnet und nervt offroad absolut nicht. Das können auch nicht alle Geländewagen von sich behaupten. Wer jetzt noch denkt, man sitze aber in einer lauten Militär-Rappelkiste ohne Komfort, muss leider auch an dieser Stelle enttäuscht werden.

Nur 5 cm von dem edlen Gesäß des Fahrers entfernt, verrichtet der Vierzylinder unspektakulär und nahezu geräuscharm seine gute Arbeit. Sitz- und Lenkposition sind angenehm und man kommt platzmäßig überraschend gut zurecht. Ob wir beschwerdefrei bis nach Marokko kämen, würden wir sehr gerne einmal ausprobieren – schon um zukünftig auch über die Fernreisetauglichkeit des Genossen berichten zu können.



EINBÜRGERUNG EINES UAZ
In unserem Fall kommt die knuffige Optik aber nicht ab Werk. Dimitri Schwab, seit Jahren als Niva-Importeur bekannt, hat sich des 452 angenommen und ihn optisch aufgewertet. Um die größeren Alus montieren zu können, hat er dem Bus längere Federschäkel und somit die größere Freiheit im Radhaus beschert. Ein optischer Clou, denkt man an Militär-Standard-Bilder des gleichen Busses. Dimitri war der Mehraufwand in diesem Falle wichtig, um gezielt den deutschen Markt ansprechen zu können.

Zur endgültigen Zulassung bedarf es sowieso einer kompletten Einzelabnahme durch den deutschen TÜV – warum also nicht gleich mit größeren Reifen? Aus dem Zubehör-Konvolut in Russland übernahm er noch die passenden Innenkotflügel, um das sensible russische Blech vor Steinschlägen und Schlamm zu schützen. Durchaus sinnvoll. Rost ist auch hier der größte Gegner. So wird der kleine Transporter vor der Auslieferung auch einmal komplett in Seilfett getaucht und schlecht sitzende Bleche werden, wenn notwendig, mit Karosseriekleber abgedichtet.



Für die nötige Homologation der Abgasklasse sorgt ein nachträglich verbauter Katalysator. Erhältlich ist der UAZ 452 sowohl als Einzelkabiner mit zwei Sitzplätzen wie auch mit zweiter Sitzreihe. In unserem Fall handelt es sich um einen Krankentransportwagen. Die Vorrichtung im geräumigen Kofferraum lässt auf 2 separate, seitlich angebrachte und zur Mitte klappende Betten schließen, die mit einer Kette an einer spektakulären Halterung im Dach festgemacht werden.

Wir bekommen sofort Hängematten-Assoziationen und überlegen den weiteren Innenausbau für künftige Fernreisen. Platz gibt es genug. Kleine Küche, großes Klappbett. Würde alles prima reinpassen. Bis auf die zwei kleinen Radhäuser im Innenraum hat man eine fast 5 m² große, ebene Fläche zur Verfügung, auf der man sich planerisch austoben kann. Bei all diesen Überlegungen stellt sich natürlich die Frage, wer so ein Fahrzeug für welchen Zweck wirklich braucht.



FAZIT
Seine Fähigkeiten, ob on- oder offroad, verbieten eigentlich ein Dasein als reines Sammelobjekt für Ostalgiker. Fan russischer Autos zu sein, ist auch keine Voraussetzung. Man wird es automatisch, wenn man den kleinen UAZ 452 fährt. Bei einem Preis von circa 20.000 Euro ist er für den Jäger genauso interessant, wie für den Fernreisenden, der ein günstiges, wartungsarmes Basisfahrzeug sucht.

Wie alle Russen benötigt er ein wenig Zuwendung, um lange zu leben und dabei viel Spaß zu bereiten. Die Ersatzteilversorgung ist unproblematisch und kostengünstig.
So kann man einen modernen Offroad-Klassiker sein Eigen nennen, den man bestimmt nicht alle Tage sieht. 5 Millionen Sibirier können sich nicht irren ...




Kontakt:                        

Dimitri Schwab,
Besitzer InterSat
MADEinRUSSIA.de

Simsseestraße 138
83071 Stephanskirchen                                                                                       

Dimitri, dein UAZ ist der nackte Wahnsinn! Ich will einen, Markus, unser Fotograf, will einen. Wie läuft die Sache jetzt weiter ab?

Haha, ich glaube euch das! Ganz so einfach wie bei dem Niva ist es mit dem UAZ nicht! Wenn ich ihn in Ulyanovsk bestelle, kann es 3 bis 5 Monate dauern, bis ich ihn nach Deutschland kriege. Dann kommen der TÜV und die Versiegelung dazu. Es ist schon viel Aufwand, deshalb mache ich wohl auch nicht mehr als 10 pro Jahr. Die Kunden sind handverlesen, nicht jeder passt zu dem UAZ. Es ist kein Neuwagen, so wie manche es sich vorstellen!

 


T | Dr. Björn Schulz F | Markus Kehl

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