Herr der Ringe

Was J. R. R. Tolkien und Matthias Bader gemeinsam haben? Nichts! Dennoch passt der Titel zur Story, auch wenn Sie „nur“ einen leicht gestretchten Suzuki sehen. Bader befeuert den Suzuki-Unterbau nämlich mit einem 4,2er-Audi-V8-Triebwerk.
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Auf einem beschaulichen Bauernhof, unweit von Passau, lebt und arbeitet Matthias Bader. Bereits die extrem steile Schotterauffahrt ins ländliche Idyll – die mancher Offroad-Meisterschaft als Sahnestück gut zu Gesicht stehen würde – macht klar: Der Mann muss zwangsläufig über allradgetriebene Fahrzeuge verfügen! Meine Vermutungen manifestieren sich zur Realität, als wir endlich den Hof erreichen. Allradler, so weit das Auge reicht. Keine protzigen 4x4-Kisten. Eigenbauten und Kuriositäten, wie wir sie noch nie zuvor zu sehen bekommen haben.
Hier ist die Welt in Ordnung Ein Bulldog-Mercedes-Strich-8-Irgendwas-Derivat steht neben einem – auf jeder Veranstaltung gefürchteten – Eigenbau-Buggy mit Yamaha R1-Motor. „Den Bulldog hat mein Großvater um 1950 gebaut. Da war zu wenig Geld in der Kasse und man musste sich mit dem begnügen, was man hatte. Damals war noch ein Schlepper-Triebwerk verbaut. Irgendwann Mitte der Achtziger revidierten mein Vater und mein Bruder das Gefährt, implantierten den Strich-8er-Motor und koppelten das Ganze mit einem 5-Gang-Automatikgetriebe ...“ Baders Welt ist in Ordnung. Nebenan steht ein ... verdammt, ich schweife ab.
Der eigentliche Grund zum Lokaltermin ist Matthias’ Eigenbau-SJ. Das Projekt lief ihm gewissermaßen direkt vor die Füße. Ein ziemlich ranziger SJ, von Beulen und einem Überschlag gezeichnet – aber zu einem extrem günstigen Kurs – Zuschlag erteilt! Auf einen V8 war Schlossermeister Bader schon immer scharf. Das Traumtriebwerk wäre wohl ein LS-Antrieb aus der Corvette gewesen, allerdings spielte da das Budget nicht wirklich mit. Lange Rede, ein 4,2-Liter-Audi-V8 fand schließlich den Weg in den um 15 Zentimeter verlängerten SJ-Rahmen.


AUSREICHEND: Knapp 300 PS und 400 Newtonmeter sorgen für mächtig Vortrieb.

300 Pferde für wenig Kohle
Knapp 300 PS und eine überschaubare Kaufsumme konnten Matthias letztendlich vom Ingolstädter Aggregat überzeugen. Der dicke Brocken passt mit Ach und Krach in das dafür eher unterdimensionierte Nippon-Rückgrat. Bader wäre nicht Schlosser, wenn er den Rahmen für diese Implantation nicht entsprechend anpassen würde. Damit das Ganze auch Sinn macht, trennte er den Leiterrahmen mittig und setzte satte 15 Zentimeter Heavy-Duty-Material ein. Nun, nach Fertigstellung, schaut das Projekt so aus, wie wenn Suzuki bereits werksseitig V8-Triebwerke in Planung gehabt hätte. Matthias – bisher auf einem Proto-Buggy unterwegs – wollte partout ein Fahrzeug bauen, das zum einen geschlossen ist und zum anderen dem Original sehr ähnlich sieht. „Ich hasse den ewigen Dreck in offenen Fahrzeugen!“, sprach der Offroader ... Auf den ersten Blick verrät sich der Suzuki durch die breiten Nissan-Achsen, die aus einem Patrol Y61 stammen. In Verbindung mit den gewaltigen, geschnittenen Boggern in der Dimension 35 x 14,5 R15 und den Eigenbau-Beadlocks (Luftdruck ca. 0,4 Bar) wirkt die Kiste extrem breit. „Isländerstyle“, grinst der Erbauer. Das Faszinierende am Bader’schen Projekt ist jedoch die Bodennähe des Gesamtkunstwerks. Wo andere in die Höhe bauen, bleibt Meister Bader lieber am Boden der Tatsachen: „Flach, breit, stark“, lautet seine Devise. Vorn und hinten gibt’s natürlich eine Achssperre für den nötigen Vortrieb. Während vorn der Klassiker von ARB zum Einsatz kommt, hatte Bader das Glück, dass die hintere Sperre bereits werksseitig von Nissan montiert worden war. Gesteuert über einen FESTO-Druckluftzylinder ist sie die denkbar beste und simpelste Lösung für das Trophy-Gerät. Lenkungstechnisch geht der Metaller ebenfalls eigene Wege. Natürlich ist – wie fast immer – das World Wide Web der einfachste Weg. Bader liebäugelt mit einer vollhydraulischen PSC-Lenkung, verwirft jedoch die Pläne aufgrund der unheimlich hohen Kosten. Stattdessen greift der findige Konstrukteur zum Naheliegenden und bedient sich im Baumaschinen- und Landhandel. „Lediglich die Pumpe stammt von den Amis – ohne die geht’s nicht.“ Vorteil der Konstruktion? Kein nerviges Lenkgestänge an den Achsen, extrem leichtes Lenken, auch im Stand.

 

BADERS EIGENBAU-PT - auf ein sperbares Audi quattro-Differenzial.

Gut gefedert
Federungstechnisch setzt Bader auf 14-Zoll-Coilover-Rennshocks von Bilstein – gebraucht, versteht sich! Für den rund 1600 Kilogramm schweren V8-SJ war das Grund-Set-up zwar um einiges zu hart, doch auch für dieses Problem fand der Passauer eine preisgünstige und durchaus sinnvolle Lösung: Statt teure Federn aus den Staaten zu ordern, erwarb er am nächsten Schrottplatz für eine Hand voll Dollar einen Golf1-Federnsatz, der seinem Proto das gewollte „Softie-Image“ verlieh. Vorn sind zudem Bumpstops montiert, um der Achse den Arbeitsweg ein wenig zu begrenzen und größere Schäden zu vermeiden. Die Anlenkung der Achsen übernehmen an der Front verstärkte Patrol-Schub-streben, hinten kommt eine Eigenbaukonstruktion zum Einsatz – ähnlich wie beim Serien-Defender, eine Dreilenker-Konstruktion, die für mächtig Verschränkung sorgt. Und der Radstand? Suzuki-Kenner wundern sich, dem Laien fällt nichts auf. Während der Serien-SJ über etwas mehr als 2 Meter verfügt – exakt 2030 mm – trumpft Baders Offroad-Projekt mit satten 2480 Millimetern auf. Wie geht das? Die Hinterachse wandert um rund 10 Zentimeter in Richtung Hecktraverse – Überhang null, perfekt! Vorn versetzt Matthias das ganze Konstrukt um fast 40 Zentimeter in Richtung Stoßstange.

 

UNKOMPLIZIERT: Winde - Ein/Aus. NICHT SCHÖN, ABER SCHNELL: Sperrenschalter am Ganghebel

Kraftschluss
Den mächtigen Audi-V8 koppelt Bader mit einer 4-Gang-Getriebeeinheit aus dem Daihatsu Wildcat. Trotz der serienmäßig eher schwachen Leistungsausbeute der Daihatsu-Triebwerke gilt das Getriebe als extrem stabil und nahezu unverwüstbar. Die verlängerten Kardanwellen stammen ebenfalls aus dem Nissan-Regal und sind den knapp 300 Audi-Pferden locker gewachsen.

 

 


SELF-MADE: Mechanische Winde mit Audi quattro-Differenzial

Zug-Nummer
Wer in Baders Auto herumkriecht, drunterschaut oder sich über längere Zeit mit diesem Sonder-Kfz beschäftigt, wird überall solide wie einfallsreiche Lösungen entdecken. Zum Beispiel die mechanische Zentralwinde, die über einen Nebenabtrieb vom Daihatsu-Verteilergetriebe auf ein kurz übersetztes (4,5 : 1) sperrbares Audi-quattro-Diff läuft. Hä? Wie bitte? Ja, ja, richtig gelesen – wir nennen Bader nicht umsonst „Herr der Ringe“. „Wird die Sperre eingelegt, hat die Winde Kraftschluss – so einfach und simpel ist die Konstruktion.“ Dass die ganze geniale Idee bei Weitem nicht so einfach ist, wie uns Matthias lapidar erklärt, dürfte jedem klar sein. Zur Zeit unseres Fototermins war ein 14er-Seil auf der Rolle. Wenn Matthias Bader den 1600 Kilo leichten Suzuki mit einem 10er-Dyneemaseil aus'm Dreck zieht, passen rund 40 Meter auf die unter dem Beifahrersitz versteckte Mini-Rolle. Wie viel Kraft die Winde hat? Immer so viel wie der Motor, knapp 300 PS! Der Umgang mit solcher Ware bleibt Profis überlassen, der Otto-Normal-Offroader würde sich und das Fahrzeug damit sicherlich ins Nirwana befördern.


Das Beste zum Schluss?
Gerne. Auf unseren unzähligen Streifzügen durch die deutsche Offroad-Szene durften wir selten in einem so ausgewogenen Fahrzeug Platz nehmen. Baders Devise „tief, breit, stark“ vermittelt enorm viel Sicherheit. Das Fahrzeug lässt sich fast spielerisch bewegen. Was Bader mit dem SJ auf die Beine gestellt hat, ist einzigartig. Obgleich nicht mit sechsstelligem Budget finanziert, bietet das Projekt eine Performance, die ihresgleichen sucht.
Matthias' Zutaten? Clevere Ideen, handwerkliches Geschick, eine Menge Erfahrung, Faszination für den Offroad-Sport, sein ruhiges, niederbayerisches Gemüt und seine Gelassenheit.

 

Text: Jörg Kübler     Fotos: Uwe Fischer

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