Captain Chaos

„Geht nicht“ gibt's nicht? Oh doch! Jörg Kübler berichtet über den Beginn einer großen Leidenschaft, erste Gehversuche im Schrauber-Business und den Virus Land Cruiser.
TeilenWeiterleitenDrucken

Schrauber-Steckbrief– OFF ROAD-Redaktionsleiter Jörg Kübler
Erst Ende der 90er Jahre stolpert der Motorrad-Journalist durch Zufall über einen Geländewagen. Von nun an fasziniert ihn dieses Thema so sehr, dass er – unheilbar mit dem 4x4-Virus infiziert – dem Endurosport den Rücken kehrt.

Erstens kommt es anders, zweitens ... aber das kennen wir ja. Als mich Kasimir Kardan Mitte 2010 fragte, ob er – im Rahmen seiner Rubrik „Fahrten jenseits des Alltags“ – eine Geschichte über meine Wenigkeit produzieren könne, fühlte ich mich – zugegeben – absolut geehrt. Herr Kardan ist seit über 30 Jahren im Offroadgeschäft unterwegs, kennt alles und jeden und wurde durch seine amüsanten Geschichten über Allrad-Raritäten eine nicht wegzudenkende Institution in der Szene. Kein anderer konnte die Verbindung zwischen Mensch und Maschine so präzise, mit so messerscharfem Verstand, in einem so individuellen Schreibstil erklären wie er. Man musste sich Zeit nehmen beim Lesen seiner Texte, um deren Hintergründigkeit zu erfassen, denn sie gingen weit über die Schilderung technischer Details hinaus. Herr K. war tiefsinning, unterhaltsam, provokant – er war ein Motor-Journalist wie er im Buche steht, ein Allrad-Freak der allerersten Stunde und menschlich eine Bereicherung bei jedem Zusammentreffen.

Das Erbe des Herrn K.

Leider hat sich unser Kult-Schreiber nach vielen Jahren nun in den Ruhestand zurückgezogen – verdient, doch hinterlässt er mir, der unfreiwilligen Hauptperson dieser Geschichte, das für einen Journalisten denkbar schwerste Erbe: „Schreib doch über dich selbst, du kennst dich doch am besten.“ Volltreffer! Das war eine kräftige Rechte direkt in meine schreiberische Magengrube.

 

OFFROAD-CRUISER: LJ 70 mit KJ-Motor und HJ 61-Achsen

Wie alles begann

1998 verliebte ich mich untersterblich in einen dem Verfall preisgegebenen Toyota LJ 70. Knapp 2000 Kröten waren gerade noch im Budget und der betagte Saugdiesel wechselte den Besitzer – Fehler Nummer 1. Karosserietechnisch war die Kiste tot, motorisch dem Untergang geweiht und meine damaligen Fähigkeiten als Schrauber glichen dem Talent des Herrn Raab beim nationalen Gesangskontest. Kurze Zeit darauf wurde ein zweites Fahrzeug – als Teilespender – erworben. Ich wähnte mich auf der sicheren Seite – Fehler Nummer 2. Das Projekt „Aus zwei mach einen“ gipfelte fast in einer Ehekrise, ich konnte nicht schweißen, wusste nur vom Hörensagen, was man mit einem Winkelschleifer anfangen kann, und vermochte nur mit Mühe, eine Ratsche vom Schnellspannfutter einer Bohrmaschine zu unterscheiden.
Hartnäckigkeit macht sich jedoch bezahlt und so geschah es, dass der betagte Untersatz mit Hilfe des Rosenheimer Toyota-Urgesteins Woidl Schmitt rund 1 Jahr später die begehrte Plakette zur Wiederinbetriebnahme erhielt – zu dieser Zeit bereits mit 86-PS-Turbomotor und „gewaltigen“ 31er-MTs ausgerüstet! Ein bisschen Colt Seavers, ein biss-chen Monster-Truck-Feeling, ich war der Held der Provinz – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich in einem Münchner Biergarten auf einen BJ 42 mit 40er-Rädern und 12HT-Motor traf. Der kleine Mann, der den Fahrsitz in luftiger Höhe erklomm, würdigte mich keines Blickes. Kennen Sie das, wenn sich Ihre kleine, heile Welt binnen Sekunden in Nichts auflöst?
Ich war am Boden zerstört. Alsdann wurde das Netz nach einem alten Toyota der 4er-Baureihe durch-forstet. Was ich fand, war eine dänische Ruine (der LJ war dagegen wie ein Neuwagen zu bewerten), einen FJ 45 Pick-up aus den frühen 70er Jahren. 1500 wollte der verkaufende Halsabschneider für einen Haufen korrodierten Blechs, nicht vorhandene Fußräume und einen Scheibenrahmen, der nicht fähig war, die Scheibe bei sich zu behalten. Fehler Nummer 3, werden Sie denken – Fehlanzeige! Fehler Nummer 3 hatte weniger mit dem 45er-Wrack zu tun als mit meiner Gattin. Denn diese zog in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alle Register, bezirzte den Verkäufer und kam dann strahlend mit der Neuigkeit zurück, dass sie den dänischen Rostklumpen „für schlappe 1100 Euro abgestaubt“ habe. Da also war der dritte, heimtückische Fehler, im Toyota-Geschäft versteckt. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick, der freundliche Vorbesitzer überzeugte mein Eheweib mit den Worten: „Ein bisschen Spachtel, ein wenig Farbe und fertig ist die Laube.“ So einfach ist die Welt.Jahrelang stand der uralte Neuerwerb unbeachtet in einer Ecke des mittlerweile für den Japan-Schrott angemieteten Kuhstalls, der zur Werkstatt umfunktioniert wurde. Über Jahre hinweg fanden viele J4 den Weg in die bayrische Wahlheimat des Protagonisten. Das Projekt FJ 45 nahm nach Ausbeutung vieler „Schlachtobjekte“ langsam Gestalt an. Meine handwerklichen Fähigkeiten verbesserten sich zusehends. „Learning by Doing.“ Zuschauen, Mund halten und lernen – das war und ist die Devise.
Nach jahrelangen Renneinsätzen auf zwei Rädern dürstete es mich nach 4x4-Abenteuern. Unbedarft und ohne großen Plan wurde 2008 – mit OFF ROAD-Fotograf und Freund Uwe Fischer – das Projekt „Dresden-Breslau“ angegangen. Den grandiosen Plan fassten wir in Bierlaune während einer Weihnachtsfeier. Die Nasen so rot wie der Umhang des Weihnachtsmannes, war unser Tatendrang hemmungslos und ungebremst. Flugs wurde dem betagten LJ ein Fahrwerk eingepflanzt, ein Käfig eingesetzt, eine billige China-Winde verpasst – und gewissermaßen als Krönung des Ganzen bekam er brutale 33er-Silverstones. „Wo, bitte, geht's nach Polen?“ 1 Woche Staub und Schlamm, An-strengung und Entbehrungen, wenig Ahnung im Umgang mit Navigation und Fahrzeug: Das war unsere erste Rallye-Teilnahme – Team Planlos auf Extratour. Nach diversen Achsschäden und einem kapitalen Motorschaden auf der Ziellinie konnten wir den Gelben immerhin noch auf Rang 42 platzieren. Das Rennfieber war ausgebrochen, Team Fischer-Kübler bereit für neue Taten. Ein radikaler Umbau des LJ stand an. Ganz oben auf der Wunschliste: Mehr Leistung, ein professionelles Fahrwerk, eine starke Winde, GFK-Teile und, und, und. Ich habe aufgehört, die Fehler zu zählen, doch dieser Entschluss wurde vor drei Jahren gefasst und das Fahrzeug ist 2012 immer noch nicht einsatzfähig. Job, Geld- und Zeitmangel, Familie, Kinder und – ganz ehrlich – oft auch keine Lust, mir die klammen Finger in der kalten Bastelbude blutig zu schrauben.

 

FAMILY-CRUISER: Der HZJ 80 ghört der Gattin und den Kids.

RESTAURATIONS-BASIS: "Ein bisschen Farbe, etwas Spachtel ..."

Markentreue & Liebhaberei

Oft stelle ich mir die Frage, was geschehen wäre, wenn ich statt des gelben Cruisers einen verwahrlosten Nissan Patrol am Straßenrand entdeckt hätte oder wenn zur gleichen Zeit der Nachbar seinen Lada hätte veräußern wollen oder ich aus Opas Nachlass einen Mercedes-G zwischen die Finger bekommen hätte. Wahrscheinlich wäre alles ganz anders gelaufen, mein Faible hätte sich in eine andere Richtung entwickelt. Fakt ist jedoch, dass mich alte 4x4-Fahrzeuge faszinieren und in ihren Bann gezogen haben – markenunabhängig.
Heute kann ich schweißen, kenne den Unterschied zwischen Maul- und Ringschlüssel und traue mir zu – den vielen Unkenrufen zum Trotz – mein eigenes Fahrzeug aufzubauen. So wie ich es möchte, so wie ich es kann. Nicht die Marke ist entscheidend, sondern die Menschen der Szene sind es, das Basteln, das Träumen und Verwerfen – der Spaß am Offroaden, an der Technik und das gemeinsame Bierchen am Lagerfeuer, egal welches Auto du fährst, egal welche Marke dich in ihren Bann gezogen hat.
Am Wochenende schaue ich mir übrigens in Österreich einen ziemlich verwahrlosten und runtergekommenen Land Cruiser FJ 40 an. Meine bessere Hälfte bleibt diesmal sicherheitshalber zu Hause und auch die Kids – von Papas Hobby im Laufe der Zeit infiziert – werden den Tag bei Muttern verbringen. Sicher ist sicher! Eine einzige Frage bleibt noch zu klären: Welcher Land Cruiser übernimmt gegebenenfalls den Transport der raren österreichischen „Altlast“ nach Bayern? BJ, HJ, LJ, HZJ, FJ? Ein Toyota wird's auf jeden Fall sein!

T | Jörg Kübler F | Uwe Fischer

Kommentare (0)
JETZT EINLOGGEN & MITDISKUTIEREN